Darstellung des Absoluten? Ein Essay zu Théophile Bra und seinen Grenzgängen zwischen Zeichnung und Schrift
I. Bras Provokation
Eines der ungewöhnlichsten zeichnerischen Œuvres des 19. Jahrhunderts stammt von einem Bildhauer, dessen offizielle Skulpturen – bei allen ikonographischen Idiosynkrasien – weitgehend akademischen Darstellungsformen verpflichtet blieben.[1] Im Ringen um den Prix de Rome der Académie des beaux-arts errang Théophile Bra, um den es mir im Folgenden gehen soll, als junger Künstler zwar nur einen zweiten Platz. Seine Beteiligungen am Salon zogen jedoch Auszeichnungen und Aufträge nach sich, so etwa den monumentalen, ausgesprochen ruhig und blockhaft dargestellten Odysseus für Compiègne, der auf ein 1822 im Salon ausgestelltes Modell zurückgeht.
Mit seinem zeichnerischen Werk hat Bra einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Sein kaum zu überblickendes, viele Tausende von Blättern umfassendes ‚Archiv‘ schriftlicher und zeichnerischer Notate schert aus allen erdenklichen Konventionen aus.[2] Taucht man in diesen Kosmos ein, so überraschen nicht nur die Fülle des Materials und die unerschöpfliche Imagination, die sich in diesen Papieren manifestiert. Vielmehr verbindet sich mit den zahllosen zeichnerischen und schriftlichen Notaten offenbar auch ein weitreichender Anspruch. Nichts weniger als Gott, eine umfassende Einheit und das Absolute werden immer wieder in kurzen, bruchstückhaften Stichworten aufgerufen. Soll mit diesem umfangreichen Œuvre, für das sich bisher keine Ordnung hat rekonstruieren lassen, eine umfassende metaphysische Ganzheit erfasst werden, wenngleich die einzelnen Blätter immer nur unvollständige, stets neu ansetzende Annäherungen vor Augen führen?
„L’unité extensible absolue / plenitude parfaite“, heißt es zum Beispiel auf einer Zeichnung, die ein monströses Komposit von birnenartigen, kreuzförmig angeordneten Köpfen vor Augen stellt (Abb. 1). Was zunächst wie eine eher abseitige Kritzelei anmuten mag, soll mithin Ausdruck sehr ernster, ja fundamentaler philosophischer Probleme sein, wenn von einer absoluten Einheit, die sich auszudehnen vermag, und zugleich von einer vollkommenen Vielheit die Rede ist – und damit die Frage aufgerufen wird, wie sich die Einheit von Einheit und Vielheit denken oder gar anschaulich machen lässt. Bei aller Heterogenität von Théophile Bras zeichnerischem ‚Archiv‘ stellt das Blatt keinen Einzelfall dar. Oft begegnen philosophische, metaphysische und religiöse Begriffe, wobei Bras Anspielungen auf indische oder fernöstliche Religionen anzeigen, dass hier nicht bloß traditionelle christliche Glaubenswahrheiten illustriert werden.[3]
Wie aber ist dieser zeichnerisch-schriftliche Nachlass zu verstehen? Offenkundig lassen sich die Blätter nicht einem jener funktionalen Kontexte zuweisen, die wir gewöhnlich mit derartigen Aufzeichnungen in Verbindung bringen. Die vielen überwiegend mit der Feder in brauner Tinte bezeichneten Blätter bieten keine mimetischen Wiedergaben von Persönlichkeiten, Gegenständen oder anderen Kunstwerken; und bei längst nicht allen Zeichnungen scheint es möglich, sie als Entwürfe für künstlerische Projekte zu verstehen.[4] Für ein Tagebuch sind sie zu unsystematisch angelegt und in ihren oftmals aphoristischen Gedanken zu allgemein. Ebenso wenig drängt sich der Gedanke auf, die Notizen durchweg als Vorarbeiten zu einem größeren Manuskript zu begreifen.[5] Es liegt nahe, diese idiosynkratisch anmutenden, oftmals kaum verständlichen Textfragmente auf Bras problematische gesundheitliche und psychische Disposition zu beziehen. Familiäre Konflikte und Schicksalsschläge scheinen Bra im Jahr 1826 in eine existentielle psychische Krise geführt zu haben, die unter anderem mit Halluzinationen und Somnambulismus einherging. Spätestens in dieser Zeit dürfte sich Bra, der über eine fundierte Bildung verfügte und ausgiebig philosophische Interessen verfolgte, mit mesmeristischen Praktiken und theosophischen Lehren beschäftigt haben. Schenkt man seinen Aufzeichnungen Glauben, so hat der Künstler seine Krise und die dabei erfahrenen halluzinatorischen Erscheinungen als Offenbarungen aufgefasst, mit denen ihm die Rolle eines Mystikers, Propheten oder Missionars zugefallen sei.[6] Gelegentlich deutet sich an, dass Bra sich verpflichtet sah, ein in Widersprüche zersplittertes Jahrhundert mit sich zu versöhnen.[7]
Doch sollten Bras ungewöhnliche Aufzeichnungen nicht voreilig darauf beschränkt werden, Zeugnisse eines eigenwilligen Geistes zu sein. Denn neben dem gedanklichen Anspruch, der sich in bedeutungsschwangeren Stichworten oder mit großem Ernst vorgetragenen Textzeilen artikuliert, verstört auch das ungewöhnlich enge und zugleich regellos erscheinende Zusammenspiel von Schrift und Zeichnung. Deren Kombination reaktiviert nicht lediglich vertraute Formen des Nebeneinanders von Text und Bild, sondern verschränkt Schrift und Zeichnung auf eine höchst originelle Weise, die den Betrachter vor bisher nicht gekannte Herausforderungen stellt. Wer hier nur darum bemüht ist, den Sinn von schriftlicher Notiz und zeichnerischer Darstellung je für sich zu dechiffrieren und dann aufeinander zu beziehen, wird den Blättern nicht gerecht werden können.
Vielmehr entzieht sich die Verschränkung von Zeichnung und Schrift einer überzeugenden Zuordnung zu jenen vielfältigen Typen der Zusammenstellung von Text und Bild, die sich in der Frühen Neuzeit herausgebildet hatten und die – bei allem Spielraum an Variationen – in der Regel die Zeichnung entweder als Illustration einem Text hinzufügten oder aber den Text als In- oder Beischrift dem Bild unterordneten. Eine solche Hierarchisierung von Schrift und Bild lässt sich bei Bra nicht ausmachen. Er verschmilzt beide Ausdrucksformen bisweilen so stark miteinander, dass sie sich gegenseitig auszulöschen drohen (Abb. 2). Während die Schrift bei einigen Aufzeichnungen noch eher am Rand begleitend hinzuzutreten scheint (Abb. 3), fügt sie sich bei anderen direkt in die zeichnerische Komposition ein (Abb. 4), um in wiederum anderen Fällen gleichsam zur Leitstimme zu werden (Abb. 5). In der Gesamtschau zeigt sich unmissverständlich, dass Zeichnung und Schrift hier nicht in einem Verhältnis wechselnder Unterordnungen zu denken sind, sondern einer Synthese zustreben, die freilich von Spannungen durchzogen bleibt. Dieses Spektrum von Schrift-Bild-Verschränkungen scheint mir weit über die Arbeiten von William Blake hinauszugehen – dessen Werk Bra möglicherweise ohnehin nicht gekannt hat.[8] Und es unterscheidet sich auch von den etwas späteren Zeichnungen Victor Hugos, die bei allen abstrahierenden Tendenzen in der Regel stärker bildmäßig gestaltet bleiben.
Während die bisherige Forschung – zu denken ist an die grundlegenden Arbeiten von Jacques de Caso, Julie Ramos und André Bigotte – Teile des Nachlasses erschlossen, in Bras Biographie eingebettet und auf relevante kulturhistorische Kontexte hin befragt hat,[9] möchte ich mich im Folgenden darauf beschränken, einer Frage nachzugehen, die auch über das Beispiel Bras hinaus von besonderem Interesse ist: Wie ist die spezifische Verbindung von Schrift und Zeichnung zu verstehen, an der Bra gearbeitet hat, und warum ist sie mit höchst voraussetzungsreichen Begriffe wie „unité“, „Dieu“ und vor allem „l’absolu“ verknüpft?
II. Philosophische Ambitionen
Bislang konnte lediglich ein Bruchteil von Bras Nachlass in Publikationen zugänglich gemacht werden, und selbst die wenigen publizierten Blätter wurden nur in Auszügen transkribiert. Der heutige Forschungsstand lässt es daher noch nicht zu, die philosophischen Bezugnahmen und Anspielungen Bras systematisch zu untersuchen.[10] Bereits das derzeit verfügbare Material lässt aber vermuten, dass er sich nicht nur nebenbei oder vorübergehend zentrale philosophische Begriffe zu eigen machte. Während die häufige Nennung von Gott („Dieu“) auf den ersten Blick als persönliche religiöse Konfession verstanden werden könnte, setzen Begriffe wie „l’absolu“ oder „le néant“ (das Nichts) philosophische Anregungen voraus. Dies gilt umso mehr, als die konkrete Begriffsverwendung ebenfalls an bestimmte philosophische Diskurse denken lässt – etwa wenn es heißt: „tout émane du sein de l’absolu et y retourne“ – „Alles geht aus dem Schoß des Absoluten hervor und kehrt dorthin zurück“ (Abb. 6).
Namentlich das im Französischen lange Zeit kaum gebräuchliche Substantiv „l’absolu“ gibt Anlass zu der Vermutung, dass Bra auf mittelbare Weise an ein zentrales Problemfeld des Deutschen Idealismus anknüpfte. Im Begriff des Absoluten bündelte sich die Frage, wie die Wirklichkeit mit ihren vielfältigen Manifestationen als zusammenhängende Einheit zu denken sei. Die Relation zwischen dem Absoluten und dem einzelnen, endlichen Seienden galt es dabei so zu konzipieren, dass die konkreten Gegenstände und Erscheinungen in ihrer Individualität respektiert, aber zugleich nicht als etwas begriffen wurden, das gleichsam neben dem Absoluten Bestand habe. Fichte, Schelling und Hegel haben bekanntlich verschiedene Konzeptionen des Absoluten entworfen, die über den vorrangig erkenntnistheoretisch orientierten Begriffsgebrauch bei Kant hinausgehen. Während Kant das Absolute vor allem als Unbedingtes der Erkenntnis verstand, hat insbesondere Schelling das Absolute als eine sowohl dem Ich als auch der Natur zugrundeliegende Einheit bestimmt und es dabei in die Nähe des Gottesbegriffs gerückt, der in Bras Notaten ebenfalls sehr prominent verwendet wird. Doch wäre es voreilig, auf der Basis der heutigen, allzu unvollständigen Kenntnis von Bras Nachlass bestimmen zu wollen, welcher Ausprägung der nachkantischen Philosophie die Aufzeichnungen des Künstlers am ehesten nahekommen.
Zumindest ein Teil des Weges, auf dem Bra derartige Anregungen erhalten konnte, lässt sich jedoch auf plausible Weise nachzeichnen. Zu den engeren Bekannten Bras gehörte der Philosoph Victor Cousin, der unter anderem im März 1829 der zweiten Hochzeit des Bildhauers als Trauzeuge beiwohnte.[11] Angesichts von Bras ausgesprochen guter Bildung und seinen ausgeprägten philosophischen Interessen liegt es nahe, dass sich der Künstler mit Cousin auch über philosophische Fragen austauschte. Seit den späten 1810er Jahren wirkte Cousin – zunächst in breit wahrgenommenen Vorlesungen, dann in Publikationen – nachdrücklich daran mit, den Deutschen Idealismus in Frankreich bekannter zu machen. Obgleich Cousin persönliche Kontakte mit Hegel und Schelling pflegte, ist seine transformierende Aneignung von Anregungen des Deutschen Idealismus teils kritisiert worden.[12] Dessen ungeachtet, wird ihm aber auch heute noch das Verdienst zugesprochen, den Begriff des Absoluten im engeren philosophischen Sinne in die französische Sprache eingeführt zu haben.[13]
Vermittelt durch Victor Cousin könnte Théophile Bra – möglicherweise ohne genauere Kenntnis der gedanklichen Filiationen – an Kerngedanken der nachkantischen Philosophie in Deutschland angeknüpft haben. Dabei muss Bra keineswegs mit den Positionen Cousins, der ja seinerseits eine eigene und durchaus nicht unumstrittene Sicht auf den Deutschen Idealismus herausgebildet hatte, gänzlich übereingestimmt haben. Julie Ramos hat darauf aufmerksam gemacht, dass Spuren in Bras Notaten auf Differenzen und Kritik seitens des Künstlers hinweisen.[14] Die Bekanntschaft mit Cousin eröffnete aber immerhin die Möglichkeit, an Leitbegriffe von Fichte, Schelling oder Hegel, wenngleich in erheblich transformierter Gestalt anzuknüpfen. Es wäre nun in differenzierten Studien zu rekonstruieren, welche Schlüsselbegriffe dabei für Bra tatsächlich anregend wurden, welche Positionen der nachkantischen Philosophie als Stichwortgeber fungierten und welchen Transformationen die Begriffe und ihr systematischer Zusammenhang bei Cousin und bei Bra unterlagen.[15]
All das kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Stattdessen soll danach gefragt werden, welche Praktiken des Zeichens und Schreibens Bra in der Auseinandersetzung mit dem Begriff des Absoluten entwickelte. In Notaten wie dem Satz „tout émane du sein de l’absolu et y retourne“ deutet sich an, dass er sich die Aufgabe zu eigen machte, über ein einheitsstiftendes Prinzip nachzudenken, das der Vielfalt der Manifestationen zugrunde liegt. Das Zitat lässt zugleich erkennen, dass Bra zu diesem Zweck eine besondere Aufmerksamkeit für Prozesse und Temporalitäten entwickeln musste.
III. Rückkehr des Verdrängten
Bevor wir danach fragen, wie sich das philosophische Interesse am Absoluten in Bras idiosynkratischen Zeichnungen artikulieren konnte, sind zunächst seine gleichermaßen zeichnerischen wie schriftlichen Notate in ihrer Spezifik genauer zu beschreiben. Die überschaubare, aber kluge und anregende Forschung zu Théophile Bra ist sich darin einig, dass die von ihm entwickelte Verknüpfung von Schrift und Zeichnung ziemlich singulär ist. Umso schwerer fällt es, zu einem angemessenen Verständnis dieser besonders weitreichenden Verschränkung beider Ausdrucksformen zu gelangen. Die bisherigen Erklärungsversuche beziehen sich entweder auf Bras Biographie und seine psychische Erkrankung[16] oder verweisen auf Anregungen, die er durch die damalige Rezeption von Schrift- und Bildkulturen Ägyptens, des Orients oder Indiens erhalten haben könnte.[17] Ich möchte diesen durchaus plausiblen Ableitungen einen Gedanken zur Seite stellen, der eher systematischer Natur ist. Bras scheinbar regellose Kombination von Schrift und Zeichnung macht nämlich nicht zuletzt darauf aufmerksam, wie stark die Verwandtschaft dieser beiden Ausdrucksformen in der Geschichte der Kunst bis in das 19. Jahrhundert durch Abgrenzungen und Hierarchisierungen in den Hintergrund gerückt worden war. Dass die Schrift und die Zeichnung – ebenso wie Ornament und Kritzelei – auf der Linie basieren, wurde zugunsten einer sauberen Scheidung zwischen Zeichnung und Schrift ausgeblendet. In beiden Fällen ging diese Abgrenzung mit Verdrängungen einher: Während die Schrift dabei als schwaches Substitut der Sprache galt, wurde die Zeichnung vor allem auf die Leistung beschränkt, eine idea, ein concetto zu erfassen. Für einen Moment möchte ich daher kurz von Bra absehen und – sehr holzschnittartig – jene Verdrängung der Verwandtschaft von Schrift und Zeichnung skizzieren, die in Bras Blättern fraglich wird.
Die Schrift, so hat namentlich Jacques Derrida argumentiert, wurde in der sogenannten abendländischen Philosophie im Zeichen eines wirkmächtigen Phonozentrismus und Logozentrismus als bloßes, nachträgliches „Derivat“[18] der gesprochenen Sprache verstanden. Mit der physischen Präsenz des Sprechers schien das gesprochene Wort dafür zu bürgen, dass es „der unmittelbaren, natürlichen und direkten Bezeichnung des Sinns“[19] dienen könne. Mit der Fokussierung auf die Sprache (in Differenz zur Schrift) ging, so Derrida, die fragwürdige Fiktion einher, dass die Äußerung nahezu gleichursprünglich sei mit der Intention, der mit ihr gemeinten Bedeutung. Die ganz andersartige Spezifik der Schrift, die an einem Material haftet und für Derrida vor allem als Spur zu begreifen ist, musste dabei zwangsläufig aus dem Blick geraten. An ihr ließe sich jedoch erfahren, dass es nie eine ganz in sich ruhende, mit sich selbst identische Einheit von Bedeutung und Artikulation geben kann, sondern zwischen der Äußerung und deren Sinn stets eine Differenz und eine Verzögerung auffällig werden. Doch indem die Schrift als nachgeordnete Manifestation eines vermeintlich gesprochenen Wortes verstanden wurde, konnten ihre verstörenden Aspekte weitgehend unerkannt im Hintergrund bleiben.
In der Geschichte der Zeichnungstheorie lassen sich vergleichbare Tendenzen ausmachen. Die Intellektualisierung des disegno-Begriffs, die Wolfgang Kemp für das fortgeschrittene 16. Jahrhundert nachgezeichnet hat, verknüpfte die Zeichnung eng mit kognitiven und imaginativen Leistungen des Künstlers.[20] Gegenüber dem disegno als geistigem Prinzip wurden die Materialisierung der Zeichnung und der motorische Akt ihrer Erstellung nachrangig behandelt. Wo aber – wie im Zuge eines steigenden Interesses an Skizzen – die Aufmerksamkeit nicht nur den mit Linien erfassten Gestalten, Formen und Konturen, sondern auch den Strichen und Zügen galt, wurde das von Derrida beschriebene und kritisierte Präsenzdenken des Logozentrismus eher noch bestärkt. Denn nun sollte der skizzenhafte Strich jenes „Feuer der Begeisterung“[21] verspüren lassen, das den Künstler im Moment des Schaffens angetrieben hatte. Insbesondere im 18. Jahrhundert lässt sich gut nachvollziehen, wie die Skizze zum Instrument einer Vergegenwärtigung des Schaffensakts werden soll – eine Auffassung von Zeichnungen, die noch bei Roland Barthes, Norman Bryson oder in David Rosands Drawing acts nachhallt.[22] Auch in diesem Fall wurde und wird mithin die grundlegende Differenz zwischen Äußerungsform und Bedeutung tendenziell ausgeblendet.
Hält man sich aber die fundamentale Verwandtschaft von Schrift und Zeichnung vor Augen, so treten jene Charakteristika hervor, die nicht mehr vorrangig für die Präsenz von Sinn bürgen, sondern die Aufmerksamkeit auf die sinnlich-materielle und motorische Spezifik von Spuren lenken. Denn der Schrift und der Zeichnung ist gemeinsam, dass sie sich aus Linienzügen aufbauen, die wiederum einen Träger, ein Blatt Papier oder Ähnliches, voraussetzen. An dieser gemeinsamen Basis lassen sich allerdings sogleich auch wichtige Differenzen festmachen, da der Träger bei der Zeichnung andere Transformationen durchläuft als bei der Schrift. Das Blatt Papier, das als Schriftträger dient, wird in der Regel nicht zum Grund. Es verbleibt entweder unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle oder gibt sich in seiner papiernen Materialität und Flachheit zu erkennen. Das allographische Notationsverfahren der Schrift, so ließe sich im Anschluss an Nelson Goodman sagen, bleibt dem Träger gegenüber weitgehend indifferent.[23] Zwar werden die Anordnungsmöglichkeiten und -zwänge der begrenzten Schreibfläche sowie deren Gerichtetheit (im Sinne einer Ausdifferenzierung von oben, unten, rechts und links) für die Operativität des Schreibens selbstverständlich vorausgesetzt und genutzt, dabei bleibt der Träger aber in der Regel eine neutrale Fläche auf der das Nebeneinander der Zeichen organisiert wird.
Anders stellt sich die Erscheinungsweise des Trägers bei der Zeichnung dar. Mit dem ersten Strich auf dem Zeichnungsblatt eröffnet sich potenziell eine Tiefe des Grundes. In der Zeichnung ist der Zwischenraum zwischen den Linien nicht einfach unmarkiert, sondern gewinnt – je nach Kontext auf unterschiedliche Weise – ein Eigenleben und ein eigenes Gewicht. Er kann zum Beispiel räumliche Qualitäten aufweisen oder auch Licht und Luft erscheinen lassen. Selbst wenn er aber unbestimmter, vager bleibt, lässt er sich nicht auf das flache Papier reduzieren. Mit dem ersten zeichnerischen Strich hat sich immer schon eine Transformation des flächigen Trägers in einen Grund mit unbestimmter Tiefe ereignet.
Diese Differenz ist von entscheidender Bedeutung für das spannungsreiche Zusammenspiel von Schrift und Zeichnung: Wenn Schrift in ein gezeichnetes Bild integriert wird, macht sie etwas mit der Zeichnung. Sie schmiegt sich in der Regel ein, ändert aber – zumindest vorübergehend und partienweise – Teile oder Elemente der Zeichnung, indem sie den Bildgrund, dem sonst vielleicht eine räumliche Suggestivität eigen ist, plötzlich flach erscheinen lässt. Zur Geltung kommen diese Differenzen insbesondere im Prozess der Wahrnehmung: Das Betrachten einer Zeichnung entspricht gewöhnlich nicht dem geordneten Prozess des Lesens, der – bei allen Vor- und Rücksprüngen, die unsere Augen und unsere kognitive Verarbeitung de facto leisten, – einem klaren Richtungssinn der Schrift folgt. Fällt der Blick auf eine Zeichnung, so stehen ihm andere, weniger reglementierte Pfade und Verläufe offen. Da mithin die rezeptionsästhetische Temporalität von Zeichnung und Schrift grundlegende Unterschiede aufweist, können beim Zusammenspiel beider Ausdrucksformen Spannungen und Komplikationen auftreten, die den Prozess der Rezeption maßgeblich beeinflussen.
Was ich zuletzt skizziert habe, ist keineswegs gänzlich neu oder eine späte Einsicht der Dekonstruktion. Neben den graphischen Künsten anderer Epochen (zu denken ist an die Dürerzeit) kann insbesondere die romantische Zeichenkunst als Experimentierfeld für die hier angesprochenen Fragen gelten: Was zeichnet Bild und Schrift jeweils aus? Was unterscheidet den Schriftzug vom zeichnerischen Linienzug? Was passiert, wenn beide zusammentreten oder gar ununterscheidbar verschmelzen? Diese Fragen werden keineswegs immer gezielt und reflektiert bearbeitet. Das Beispiel Théophile Bras zeugt aber davon, dass Verschränkungen von Zeichnung und Schrift angestrebt werden konnten, um die flache Ordnung der Schrift zu beunruhigen und den Illusionsraum der Zeichnung aufzustören.
IV. Schrift und Zeichnung als Annäherung an das Absolute
„Le voile est écarté ô mon fils …“ – „Der Schleier ist gelüftet, oh mein Sohn …“, verkündet eine eher unscheinbare, aber umso rätselhaftere Zeichnung (Abb. 7).[24] Denn wo hier der Schleier zu sehen ist und vor allem was sich hinter ihm nun zu erkennen gibt, führt die Zeichnung keineswegs mit der gewünschten Klarheit vor Augen. Der Blick stößt hingegen auf teils scharfkantig-gerade, teils kurvige, leicht gewellte Linien sowie auf ausfransende, satte, braune Flächen. Diese formalen Elemente bilden eine Konfiguration, die sich keineswegs zu einer gegenständlich identifizierbaren Figuration zusammenschließt. Zwar regen die Formen dazu an, sie teilweise als räumliche Gebilde zu verstehen, wenn etwa die dicken geraden, winkeligen Konturen der zentralen hellen Fläche von Parallelen begleitet werden, so dass man geneigt ist, hier seitliche Kanten einer aufragenden Kulisse zu erblicken. Doch können sich die wenigen räumlichen Anmutungen nicht durchsetzen. Vielmehr drängt gerade die von unten nach oben verlaufende Schrift diese Räumlichkeit wieder zurück in die Fläche des Papiers.
Ohne dass ein klares gegenständliches Bild evoziert wird, gelingt es der Zeichnung vorübergehend, Räumlichkeit zu schaffen und die Oberfläche des Beschreibstoffs in einen Grund mit eigener Tiefe zu transformieren. Bevor jedoch diese Tiefe – etwa als perspektivisch konstruierter Raum – ausgelotet werden könnte, fordert die Schrift ihr Recht ein, so dass der Eindruck räumlicher Anordnungen einerseits und die Betonung der Flächigkeit des Schriftträgers andererseits gleichsam in der Schwebe bleiben. Möglicherweise sah Bra erst mit diesem Effekt „den Schleier“, von dem er schreibt, gelüftet. Denn offenkundig ist die Offenbarung nicht auf eine Weise zu haben, die sich dem Wegziehen eines Vorhangs vor einem Fenster vergleichen lässt. Immerhin geht es – so heißt es jedenfalls in den oberen Schriftzügen – um nicht weniger als eine Wiederauferstehung „im Absoluten, das alles umfängt“[25].
Mit einem bereits beiläufig erwähnten Blatt (Abb. 6) erarbeitete Bra einen ähnlichen Schwebezustand, um sich nun an einer Darstellung des Absoluten zu versuchen. Den oberen Teil des Papierbogens hat Bra genutzt, um ein Gebilde zu zeichnen, das figurale Elemente hervortreten lässt. Erkennbar werden vor allem Kopf, Schnabel und Hals eines vogelartigen Wesens sowie Teile eines menschlichen Gesichts. Von dieser zeichnerischen Form gehen schwungvolle Linienzüge aus, in deren Strom sich unten links auch die Schrift einfügt, während sie unten rechts die auslaufenden Striche kreuzt. In den oberen Ecken trägt der bogenartige Verlauf der Schrift dazu bei, dass das halb abstrakte, halb figurale Gebilde in der Mitte wie ein dynamisches Kraftzentrum erscheint. In ihm soll offenbar das Absolute fassbar werden, da Bra links oben festhält „tout dans l’absolu – toujours“ und rechts hinzufügt „tout émane du sein de l’absolu et y retourne“. Alles geht mithin vom Absoluten aus und kehrt darin zurück. Um diesen Gedanken vor Augen zu führen, nutzt Bra jenes Schweben zwischen räumlicher Tiefe und betonter Flächigkeit, das sich herausbilden kann, wenn ein Blatt gleichermaßen als Träger einer Zeichnung und einer Schrift dient.[26] Denn die figuralen Formen, die sich in der Zeichnung andeuten, bleiben fragil und können sich nicht zu dauerhafter gegenständlicher Klarheit kristallisieren. An ihnen wird erfahrbar, wie sich die Individuation konkreter Gestalten aus abstrakten Linien und Strichen heraus ereignet und sogleich doch wieder in dieses informelle Gebilde zurückweicht. So scheint zum Beispiel, von rechts her gesehen, zunächst das Profil eines weiblichen Kopfes mit Wange, Kinn und Mund erkennbar zu werden, bevor dann jedoch der Schwung der Nase umgekehrt und das Profil in die frontale Ansicht eines Auges überführt wird.
In diesen oszillierenden Momenten, die sich nicht stabilisieren und verstetigen lassen, liegt ein wesentliches Darstellungsmittel, das Bra bei dem Versuch seiner Annäherung an das Absolute erkundet. Ihm geht es weder um ein harmonisches Zusammenspiel von Schrift und Bild noch um die Herausbildung einer klaren hierarchischen Ordnung zwischen diesen beiden Ausdrucksformen. Durch ihre Verschränkung bricht er hingegen jene unhinterfragten Voraussetzungen auf, die dem Gebrauch von Schrift oder Zeichnung sonst zugrunde liegen. In der maximalen Annäherung von Zeichnung und Schrift vermag er deren sehr unterschiedliche Logiken und Voraussetzungen in ein spannungsvolles Verhältnis zueinander zu bringen. Bras ‚Liaison‘ von Zeichnung und Schrift erweist sich dabei als ebenso konfliktträchtig wie produktiv.
Wenn es Théophile Bra wirklich darum zu tun war, in der Darstellung ein Äquivalent dafür zu finden, dass sich alles Seiende aus einer Entfaltung des Absoluten ergibt und zum Absoluten zurückkehrt, so konzentrierte er sich offenkundig nicht allein auf figürlich-gegenständliche Bilderfindungen. Im vertrauten Register des bildlich Dargestellten ließ sich das Absolute nicht erfassen. Die Prozesse und Relationen, die in den knappen schriftlichen Notaten skizziert werden, finden ihre Analogie jedoch in einem Wahrnehmungsprozess, der für das fragile Verhältnis von Dargestelltem und Darstellungsform sensibel ist. Mit dem engen Zusammenspiel von Zeichnung und Schrift legt Bras Blatt es offenkundig darauf an, dass der Betrachter bzw. Leser nachvollzieht, wie sich vorübergehend figürliche Erscheinungen herauskristallisieren, ohne dass sie in die dauerhafte Klarheit einer stabilen Gestalt gerinnen.
Bras ungewöhnliche Engführung von Schrift und Zeichnung könnte daher von der Einsicht getragen sein, dass das Absolute allenfalls im performativen Vollzug einer Darstellung und ihrem unvermeidlichen Scheitern fassbar zu werden vermag. Nicht die Repräsentation mittels eines spezifischen Motivs oder Symbols, sondern die unausgesetzte Verschränkung von Schrift und Zeichnung sowie die dadurch bedingte rezeptionsästhetische Temporalität nutzt Théophile Bra, um sich an einer Darstellung des Absoluten zu versuchen. Gerade dadurch, dass Schrift und Zeichnung auf den Blättern permanent zwischen einer Ausdifferenzierung und einer bis zur Ununterscheidbarkeit reichenden Verschmelzung schwanken, bilden sie ein Korrelat zu jenen Prozessen, um die Bras Denken kreist: „tout émane du sein de l’absolu et y retourne“.
Fußnoten
[1] Der folgende Text ist im Jahr 2019 entstanden und wurde in Vorträgen vorgestellt, die ich am 21. April 2021 im Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München, und am 3. November 2021 in der Kunsthandlung H. W. Fichter, Frankfurt am Main, gehalten habe. Das Vorhaben, die Überlegungen durch weitergehende Recherchen zu vertiefen, ließ sich aus Zeitgründen nicht umsetzen. Da die Bra-Forschung inzwischen auf vielversprechende Weise voranschreitet, stelle ich meine Überlegungen in essayistischer Form zur Diskussion.
[2] Der genaue Umfang des sog. ‚Archivs‘ scheint noch nicht bestimmt zu sein; Julie Ramos (L’Inde des visionnaires. Runge, Blake, Bra, Dijon 2022, S. 375) spricht von „environ 40 000 feuillets, dont quelque 5 000 dessins pleine page“; Jacques de Caso („The Written Drawing: The Work of Théophile Bra“, in: Representations 72 (2000), S. 82–96, hier S. 90) erwähnt „fifty feet of shelving“, „more than ninety boxes“ und „several hundred full-page drawings between nearly one hundred thousand pages of written text“.
[3] Dazu nun ausführlich Ramos: L’Inde, S. 373–511.
[4] Vgl. die Hinweise und Beispiele bei Jacques de Caso: „Process as Signification: The Drawings of Théophile Bra“, in: Jacques de Caso und André Bigotte: The Drawing Speaks. Théophile Bra. Works 1826–1855 (Ausst.-Kat. Houston, The Menil Collection), Houston 1997, S. 16–45, bes. S. 30; sowie de Caso: The Written Drawing, S. 84–89.
[5] Jacques de Caso scheint zu erwägen, dass das ‚Archiv‘ oder Teile daraus mit Publikationsvorhaben oder einem autobiographischen Projekt in Zusammenhang stehen; vgl. de Caso: Process as Signification, S. 21f. – Spätere Teile des Materials dürften mit Bras Projekt eines Musée de la Paix verbunden sein; vgl. Théophile Bra: Introduction au Musée de la paix, ouvrage composé de dessins originaux, Douai 1852; vgl. auch Neil McWilliam: Dreams of Happiness Social Art and the French Left, 1830–1850, Princeton 1993, S. 141–145.
[6] Vgl. dazu u. a. André Bigotte: „Socrates in Flanders“, in: Jacques de Caso und André Bigotte: The Drawing Speaks. Théophile Bra. Works 1826–1855 (Ausst.-Kat. Houston, The Menil Collection), Houston 1997, S. 47–53, bes. S. 49; sowie Julie Ramos: „Widergänger-Bilder. Théophile Bra und Schrift-Bild-Relationen der Romantik“, in Boris Roman Gibhardt und Johannes Grave (Hgg.): Schrift im Bild. Rezeptionsästhetische Perspektiven auf Text-Bild Relationen in den Künsten, Hannover 2018, S. 27–54. – Bra scheint dabei mit seinem Namen zu spielen und sich als Arm oder Hebel Gottes zu verstehen; vgl. de Caso: Process as Signification, S. 31.
[7] Vgl. Bra: Introduction; vgl. ferner Ramos: Widergänger-Bilder, S. 38; und Ramos: L’Inde, S. 380. De Caso zitiert eine Bemerkung aus Bras Acte de dépôt, die darauf zielt, dass sein ‚Archiv‘ die Zerteilung des Wissens aufheben solle; vgl. de Caso: The Written Drawing, S. 89.
[8] Vgl. de Caso: Process as Signification, S. 36.
[9] Zwei bisher in der Forschung diskutierte Ansätze seien wenigstens skizziert: (1.) Jacques de Caso hat erwogen, Bras Verschränkung von Zeichnung und Text als eine spezifische, gleichsam vordiskursive Denkform zu verstehen, die nicht zuletzt an pädagogische Konzepte der Zeit angeknüpft haben könnte; vgl. de Caso: Process as Signification, S. 35–38. Nicht ganz klar wird, was de Caso als Zerlegung in „monosyllabic elements“ in den Zeichnungen zu beobachten meint; vgl. de Caso: Process as Signification, S. 35; und de Caso: The Written Drawing, S. 94. (2.) Julie Ramos hat vorgeschlagen, dass Bra mit seiner Verschleifung von Zeichnung und Schrift an eine ursprüngliche Einheit von „image“ und „parole“, „peinture“ und „discours“ anknüpfen wollte, die er – im Anschluss an Friedrich Creuzer – offenkundig in Ägypten, Persien und namentlich Indien realisiert sah; vgl. u. a. Julie Ramos: „‚Quelle ombre que cette Allemagne! C’est l’Inde de l’Occident‘. La réception de la Symbolique de Creuzer par Théophile Bra“, in Isabelle Jansen und Friederike Kitschen (Hgg.): Dialog und Differenzen. Deutsch-französische Kunstbeziehungen 1789–1870, Berlin 2010, S. 125–138, bes. S. 128f. Eigens zu reflektieren wäre in diesem Zusammenhang jedoch, wie sich „parole“ und „écriture“ bei Bra zueinander verhalten.
[10] In naher Zukunft ist allerdings mit einer deutlichen Verbesserung der Materialgrundlage zu rechnen, wenn die Ergebnisse des von Julie Ramos geleiteten Projekts „Le dessin visionnaire et ses savoirs. À partir de l’étude et de la valorisation du fonds d’archives de Théophile Bra“ zugänglich werden.
[11] Vgl. Marie-Claude Sabouret: „Chronologie de Théophile Bra (1797–1863)“, in: Jacques de Caso und Pierre-Jacques Lamblin (Hgg.): Sang d’encre. Théophile Bra, 1797–1863, un illuminé romantique. Dessins inédites de la Bibliothèque Municipale de Douai (Ausst.-Kat. Paris, Musée de la vie romantique), Paris 2007, S. 117–142, bes. S. 137; sowie Jacques de Caso: „Le dessin parle. Procédés comme signification: dessins de Théophile Bra“, in: ebd., S. 23–72, bes. S. 23.
[12] Vgl. aber Daniel Whistler: „‚True Empiricism‘: The Stakes of the Cousin-Schelling Controversy“, in: Perspectives on Science 27 (2019), S. 739–765.
[13] Vgl. den Eintrag zur „absolu“ im Trésor de la langue Française informatisé: „En France, le mot aurait été introduit dans l’usage philos. cour. par V. Cousin en 1817 […]. Il le tenait peut-être de Maine de Biran qui l’aurait empl. vers 1812“ (https://www.cnrtl.fr/etymologie/absolu).
[14] Vgl. Ramos: L’Inde, S. 441–452.
[15] Jüngere Forschungsbeiträge dürften die Ausgangsbasis für ein solches Unternehmen verbessert haben; vgl. etwa Kirill Chepurin, Adi Efal-Lautenschläger, Daniel Whistler und Ayşe Yuva (Hgg.): Hegel and Schelling in Early Nineteenth-Century France, 2 Bde. (Bd. 1: Texts and Materials; Bd. 2: Studies), Cham 2023; sowie Xenia Fischer-Loock: „Deutscher Idealismus in Frankreich (1789–1830). Une parallèle à réviser“, in: Zeitschrift für Kulturphilosophie 18 (2025), H. 1, S. 119–139.
[16] Zum Unbehagen an einer solchen Deutung vgl. de Caso: The Written Drawing, S. 92f.
[17] Vgl. Ramos: Widergänger-Bilder; und Ramos: L’Inde, S. 483–511.
[18] Jacques Derrida: Grammatologie, Frankfurt am Main 1983, S. 25.
[19] Derrida: Grammatologie, S. 54.
[20] Vgl. Wolfgang Kemp: „Disegno. Beiträge zur Geschichte des Begriffs zwischen 1547 und 1607“, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 19 (1974), S. 219–240.
[21] Johann Georg Sulzer: Allgemeine Theorie der schönen Künste in einzeln, nach alphabetischer Ordnung der Kunstwörter auf einander folgenden Artikeln abgehandelt, neue vermehrte zweyte Auflage, 4 Bde., Leipzig 1792–1794, Bd. IV, S. 756. Vgl. auch Johannes Grave: „Zeichnung ohne Zug. Über das Unzeichnerische in der deutschen Kunst um 1800“, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 53 (2008), S. 233-260, bes. S. 239–245.
[22] Vgl. Roland Barthes: „Cy Twombly oder Non multa sed multum“, in: ders.: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn. Kritische Essays III, Frankfurt am Main 1990, S. 165–183; Norman Bryson: „A Walk for a Walk’s Sake“, in: Catherine de Zegher (Hg.): The Stage of Drawing. Gesture and Act (Ausst.-Kat. New York, Drawing Center), London 2003, S. 149–158; David Rosand: Drawing Acts. Studies in Graphic Expression and Representation, Cambridge 2002.
[23] Vgl. Nelson Goodman: Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie, Frankfurt am Main 1997.
[24] Zu prüfen wäre, ob Bra sich mit dieser Zeichnung und den Beischriften auch auf Friedrichs Schillers Ballade Das verschleierte Bild zu Sais (1795) bezieht. Die Vermutung liegt insofern nahe, als der „Jüngling“ in Schillers Gedicht auch als „mein Sohn“ angesprochen wird. Die Ballade war spätestens ab 1821 in einer französischen Paraphrase zugänglich: [Prosper Brugière baron de Barante]: „Notice sur Frédéric Schiller“, in: Œuvres dramatiques de F. Schiller, Bd. I: Les brigands. Plan et fragments des Chevaliers de Malte, traduites de l’allemand, précédées d’une notice biographique et littéraire sur Schiller, Paris 1821, S. I–CLII, bes. S. LXXVIII–LXXXI (L’image voilée).
[25] Die erste Zeile der von unten nach oben verlaufenden Schrift in der Zeichnung lautet: „Voilà: celui qui était mort[?] ressuscite dans l’absolu qui embrasse tout.“
[26] Vgl. auch Ramos: L’Inde, S. 510f.
Abb. 1: Théophile Bra, Ohne Titel [L’unité extensible…], Feder in Braun, 31,5 x 20 cm, Douai, Bibliothèque municipale (de Caso/Lamblin: Sang d’encre, 2007, Nr. 75).
Abb. 2: Théophile Bra, Ohne Titel [Situation de néant / C’est pourtant vrai …], Feder in Braun, 18,5 x 24 cm, Douai, Bibliothèque municipale (de Caso/Lamblin: Sang d’encre, 2007, Nr. 119).
Abb. 3: Théophile Bra, Ohne Titel [Rayonnement successif …], Feder in Braun, 31 x 19,5 cm, Douai, Bibliothèque municipale (de Caso/Bigotte: The Drawing Speaks, 1997, Nr. 14).
Abb. 4: Théophile Bra, Ohne Titel [toutes les bases …], Feder in Braun, 24,7 x 18,1 cm, Douai, Bibliothèque municipale (de Caso/Bigotte: The Drawing Speaks, 1997, Nr. 5r).
Abb. 5: Théophile Bra, Ohne Titel [Suite 16 août au soir …], Feder in Braun, 24,8 x 17,9 cm, Douai, Bibliothèque municipale (de Caso/Bigotte: The Drawing Speaks, 1997, Nr. 24).