Agathe Duperron, Emily Patzer, Stephanie Großmann , 20.02.2024

E.T.A. Hoffmann – „Rezeption, Adaption, Interpretation“

Jahrestagung der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft am 2. und 3. November 2023, Staatsbibliothek zu Berlin

Die internationale Jahrestagung der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft in Berlin, die am 2. und 3. November 2023 stattfand, widmete sich in diesem Jahr dem Thema „Rezeption, Adaption und Interpretation“. Der erste Tagungstag legte einen Schwerpunkt auf die Bereiche Übersetzung, Hörspiel und Film. Blagovest Zlatanov (Universität Heidelberg) beleuchtete in seinem Beitrag Hoffmanns Rezeption im Bulgarien der Zwischenkriegszeit. Dabei betonte er den Ruhmtransfer als zentrales Element dieser Rezeption. Besonders die romantische Renaissance Bulgariens in den 1920er- und 1930er-Jahren habe dazu beigetragen, Hoffmanns Werke durch andere, in Bulgarien viel gelesene Autoren wie Dostojewski und Hoffmannsthal zu popularisieren.

Fiona O’Donnell (Université de Toulouse) thematisierte in ihrem Vortrag die hybride Leseerfahrung und visuelle Gestaltung des Fantastisch-Grotesken in Tristan Bonnemains illustriertem Buch Dans la nuit d’E.T.A. Hoffmann. Bonnemain, ein Illustrator aus Marseille, schuf eine Publikation, in der Bild und Wort gleichberechtigt agieren und den Leser:innen eine einzigartige Leseerfahrung ermöglichen. O‘Donnell hob dabei das Groteske als ästhetische Kategorie hervor, was sich auch zentral in Hoffmanns Texten finden lässt.

Das erste Panel schloss mit dem Beitrag von Ingrid Lacheny (Université de Lorraine), die der Frage nachging, ob Hoffmann beim Übersetzen ins Französische „verraten“ wurde. Sie analysierte bekannte Übersetzungen aus dem 19. bis 21. Jahrhundert und betonte die grundsätzlichen Schwierigkeiten des Übersetzungsprozesses. Dass dieser im Spannungsfeld zwischen Akkuratheit bezüglich der Ausgangssprache und Adäquatheit in Hinblick auf die Zielsprache und -kultur stehe, zeigte Lacheny an drei Beispielen.

Das zweite Panel widmete sich den medialen Adaptionen von Hoffmanns Werken. Beata Kornatowska (Uniwersytet im. Adama Mickiewicza w Poznaniu) analysierte Hoffmann-Adaptionen im polnischen Hörspiel. Sie hob die tiefgreifende Interpretation dieses Mediums hervor, das bis ins Detail Stimmfarben der Sprecher:innen, dramaturgische Fragen und musikalische Auswahl durchdachte und inszenierte. Dabei schuf das Medium der Radioadaption eine einzigartige Intimität durch das logozentrische Moment.

Die beiden letzten Beiträge des Tages beleuchteten Adaptionen von Hoffmanns Werken im Film. Sotera Fornaro (L’Università degli Studi della Campania) diskutierte Christian Petzolds Film Undine (D, F 2020) und dessen Referenzen auf Hoffmanns gleichnamige Oper. Der Film platziert die Handlung im Berlin der Gegenwart und schafft Parallelen zwischen dem Schicksal der Protagonistin Undine und dem Schicksal der Stadt Berlin. Corinna Schlicht (Universität Duisburg-Essen) analysierte David Lynchs Film Lost Highway (USA, F 1997) und wies Bezüge zu Hoffmanns Sandmann auf. Sie betonte insbesondere die Darstellung von Wahnsinn und psychischer Krise in beiden Werken.

Das Abendprogramm umfasste die Filmvorführung der DEFA-Verfilmung Zauber um Zinnober von Celino Bleiweiß (DDR 1983) mit anschließender Podiumsdiskussion.

Der zweite Tag begann mit Boris Roman Gibhardt, dem neuen Kurator des Hoffmann-Hauses in Bamberg. Er präsentierte das Konzept für die Wiedereröffnung 2026, das Hoffmanns Biografie und bedeutsame Hoffmann’sche Themen in den Mittelpunkt rücken soll. Die Fantasiestücke, die in Bamberg verfasst und veröffentlicht wurden, sollen besonders betont werden, um eine breite internationale Zielgruppe anzusprechen.

Das zweite Panel zu den medialen Adaptionen behandelte Graphic Novels, musikalische Bearbeitungen und Textanalysen. Elena Giovannini (Università del Piemonte Orientale) analysierte die Graphic Novel Sandmann von Michael Mikolajczak und Jacek Piotrowski, publiziert 2019. Sie betonte formale und inhaltliche Abweichungen vom Original, insbesondere die Darstellung der Psychopathie. Julian Lembke (ENS de Lyon) widmete sich musikalischen Bearbeitungen des Sandmanns. Er präsentierte drei Opern, die unterschiedliche Perspektiven auf den Ausgangstext boten.

Im Panel „Textanalyse – Looking close“ argumentierte Dorothee Ostmeier (University of Oregon) in ihrer Interpretation von Meister Floh, dass Hoffmann in einen Diskurs über die technologische Revolution des 17. und 18. Jahrhunderts eingebunden sei. Sie betonte, dass Hoffmann in seiner Erzählung die Denkmuster seiner Zeit kritisch hinterfrage und die Rolle der Psychologie in Bezug auf das Menschliche und Nicht-Menschliche thematisiere. Sebastian Speth (Universität Münster) widmete sich der juristischen Perspektive auf Hoffmanns literarisches Schaffen anhand der Elixiere des Teufels. Er hob hervor, dass Hoffmann sich intensiv mit der menschlichen Seele und der Frage nach der Willensfreiheit im Strafrecht auseinandergesetzt habe.

Die Tagung schloss mit einer Lesung von Steffen Faust (Freier Illustrator, Berlin), der seine Illustrationen zu Hoffmanns Der goldne Topf präsentierte. Bilanzierend lässt sich feststellen, dass die exzellenten Vorträge der beiden Tage vielfältige Aspekte von Hoffmanns Werk beleuchteten. Die Diskussionen reichten von historischen und transmedialen Fragestellungen bis zu übersetzungstheoretischen Überlegungen. E.T.A. Hoffmann, der Meister des Fantastisch-Grotesken, wurde vor allem in seiner Qualität gewürdigt, bis in die Gegenwart hinein inspirierend auf verschiedene Medien und kulturelle Kontexte zu wirken.